AMOR UND PSYCHE Jeder
kennt sie. Jeder? Psyche betrachtet
zum ersten Mal Amor, ihren "Ehemann". Zum
Kenntnisstand der Allgemeinheit seien hier zwei Inhaltsangaben
herausgegriffen; rot sind die nicht ganz stimmigen Stellen:
Die
beiden Inhaltsangaben verraten: Die tatsächliche Kenntnis der Geschichte, vor
allem ihres Endes, scheint dürftig zu sein; deshalb möchte ich Apuleius'
Eingangswunsch zitieren und dann die Geschichte etwas ausführlicher
referieren: Lector, intende,
laetaberis! (Lieber Leser,
pass auf, du wirst deinen Spaß haben! – 1, 1, 4) Erant in quadam civitate rex et regina (Es waren einmal in einer Stadt ein König und eine
Königin – 4, 28, 1) So
beginnt das "Märchen" von Amor und Psyche. Dieses Königspaar hat
drei Töchter, die zwei älteren sind von "normaler" Schönheit, die
jüngste aber wird wegen ihrer Schönheit für die Inkarnation der Venus
gehalten. Ihre Verehrung erzürnt die wirkliche Göttin, so dass sie das
Mädchen aus Eifersucht für seine Schönheit bestrafen will. Um ihre Strafe
durchzusetzen, zeigt sie ihrem Sohn Amor das verhasste Mädchen und befiehlt
ihm, zu bewirken, dass Psyche von brennendster Liebe zum elendesten Menschen ergriffen wird: Virgo ista amore fraglantissimo teneatur hominis extremi ... tamque infimi, ut per totum
orbem non inveniat miseriae suae comparem.! (Diese Unverheiratete soll von brennendster Liebe zum
letzten Mann ergriffen sein, solch einem Abschaum, dass er auf der ganzen
Erde keinen Genossen seines Elends findet! – 4, 31, 2) <Weder bei der Vorstellung
der Psyche noch beim Auftrag der Mutter erfährt der – von Apuleius angeblich
geschätzte – Leser irgend etwas über eine Reaktion
Amors; "verliebt sich" ist eingeschobene Deutung der beiden
Inhaltsangaben.> Die
übergroße Schönheit der Psyche schreckt potenzielle Ehemänner ab; ihre
"normal schönen" Schwestern sind schon längst glücklich
verheiratet, aber: Psyche virgo vidua domi residens deflet desertam
suam solitudinem aegra corporis, animi saucia. (Psyche sitzt als gattenlose Jungfrau daheim und
beweint ihre wüstenhafte Einsamkeit - krank am Körper, wund im Herzen: - 4,
32, 2) Psyches
Vater vermutet als Grund für ihr Schicksal Götterhass und wendet sich deshalb
ans Orakel des griechischen Apoll im damals griechischen Didyma, das aber –
Apuleius zuliebe – lateinisch und in einem Gedicht antwortet: Auf eine erste
klare Handlungsanweisung: "Setze deine bräutlich geschmückte Tochter auf
einem Felsen aus!" folgt eine orakulöse zweite Aufforderung: "Erhoffe
dir keinen sterblichen Schwiegersohn, sondern rechne mit einem grässlichen
Übel, das durch die Luft fliegt, aber mächtiger ist als Jupiter!" Die
traurigen Eltern rüsten also zum hochzeitlichen Leichenzug; Psyche feuert
ihre Eltern noch an, sie erkennt anscheinend ihre Hybris und sieht sich
gerecht bestraft. Psyche
sitzt oben auf dem Berg, sonst herrscht Staatstrauer, da: Psychen autem paventem ac trepidam et in ipso
scopuli vertice deflentem mitis aura molliter spirantis Zephyri, vibratis
hinc inde laciniis et reflato sinu sensim levatam suo tranquillo spiritu
vehens paulatim per devexa rupis excelsae, vallis subditae florentis
caespitis gremio leniter delapsum reclinat. (Psyche aber, in
panischer Angst, zitternd, ganz oben auf dem Felsen weinend, hebt sachte,
kaum merklich ein Hauch des sanft atmenden Zephyr hoch, ihr Gewand flattert
hier und dort und bauscht sich im Wind, Zephyr trägt sie mit ruhigem Hauch
allmählich über den Abhang des hohen Felsens, lässt sie behutsam im tiefen
Tal in den Schoß eines blühenden Rasenstücks gleiten und legt sie dort
nieder: - 4, 35, 3) <Wir sind am Buchende
angelangt und halten kurz inne: Venus hat zwar ihre Rivalin zur Ehe mit dem
elendesten Menschen verdammt, aber schon der Vater hört beim Orakel von einem
unsterblichen Monster; das Orakel-Monster hat zwar sein Opfer schon gesehen,
sich aber bisher dazu in keiner Weise geäußert – und jetzt wird Psyche per
Luftpost an einen lieblichen – wenn auch etwas verkitschten – Ort gebracht.
Der verunsicherte Leser ist auf den Fortgang gespannt.> Nach
einem Heilschlaf auf dem genannten Rasen erwacht Psyche gestärkt und entdeckt
in ihrer Nähe einen Palast; wegen der massiv goldenen Wände kann der Hausherr
sogar den Strom sparen: Hier strahlt es auch bei Nacht; man könnte – so
Apuleius – den Palast für Jupiters himmlischen Audienzsaal halten. Angesichts
des prächtigen Palastes wird zum ersten Mal Psyches bestimmender Charakterzug
genannt, ihre Neugier; sie untersucht den Palast und stellt fest: Nec est quicquam, quod ibi non est. (Es gibt nichts, was es dort nicht gibt! – 5, 2, 1) Da
ertönt eine Stimme aus dem Off, Psyche sei die Herrin, alles gehöre ihr, sie
solle sich ausruhen, ein Bad nehmen und dann zum Essen erscheinen. Nur von
Stimmen wird sie mit einem köstlichen Mahl gelabt; unsichtbare Stimmen singen
auch in ihr Ohr. Es wird Abend, ein Gong ertönt, und Psyche sorgt sich um
ihre Jungfräulichkeit – nicht grundlos: Iamque aderat ignobilis maritus et torum
inscenderat et uxorem sibi PsycheN fecerat. (Und schon war er da, der unkenntliche Ehemann, hatte
das Ehebett bestiegen und sich Psyche zur Ehefrau gemacht. - 5, 4, 2) Vor
Tagesanbruch verschwindet der Ehemann, die Stimmen trösten Psyche wegen ihrer
verlorenen Jungfräulichkeit, aber Psyche findet Gefallen an so verbrachten
Nächten. <Wir halten fest: Die
Monster-Ehe scheint eine recht kommode Angelegenheit zu sein, wenn auch
Psyche ihren Ehemann noch nicht zu Gesicht bekommen hat. Dass es nämlich in
dem Palast immer hell ist wegen der Goldwände, ist inzwischen wieder
vergessen. – Jetzt informiert der Erzähler, wie es bei Königs weiterging:> Psyches
Eltern werden in Kummer grau und grauer, die zwei Schwestern erfahren auch
vom Unglück der Kleinen und kommen eilends, um die Eltern zu trösten. Ea nocte (In dieser Nacht – 5, 5, 1) <Der aufmerksame Leser kommt
leicht ins Grübeln.> In
dieser Nacht also hält der unsichtbare, aber sonst mit allen Sinnen
erfassbare Ehemann seine erste Bett-Rede: Psyche, dulcissima et cara uxor, exitiabile tibi
periculum minatur Fortuna saevior, quod observandum pressiore cautela censeo.
Sorores iam tuae mortis opinione turbatae tuumque vestigium requirentes
scopulum istum protinus aderunt. Quarum si quas
forte lamentationes acceperis, neque respondeas, immo nec prospicias omnino.
Ceterum mihi quidem gravissimum dolorem, tibi vero summum creabis exitium. (Psyche, süßestes, teures Weib, Fortuna, die allzu
wilde, droht dir mit tödlicher Gefahr! Dieser müssen wir vorsichtig und recht
behutsam begegnen, meine ich. Deine Schwestern sind wegen deines vermuteten
Todes verstört, sie suchen deine Spur und werden bald am bewussten Felsen
sein. Hörst du ihre Klagen, dann antworte nicht, nimm sie überhaupt nicht
wahr – sonst bereitest du mir schlimmsten Schmerz, dir aber größtes
Verderben! – 5, 5, 1) In
der Nacht stimmt Psyche noch zu, bei Tag kippt aber ihre innere Haltung: Sie
fühlt sich auf einmal gefangen, einer Gesprächsmöglichkeit beraubt und
zugleich unglücklich, weil sie nicht einmal ihre trauernden Schwestern
trösten dürfe. Und sie beweint intensiv ihr Schicksal. <Und spätestens hier wird die
Motivation der Handelnden – Märchen hin oder her – rätselhaft!> Da
Psyche auch in seiner Umarmung weiterheult, fordert Amor sie auf: Animo tuo damnosa poscenti pareto! Tantum
memineris meae seriae monitionis,
cum coeperis sero paenitere! (Gehorche deinem Herzen, das nach Schädlichem
verlangt! Nur denke an meine ernste Warnung, wenn deine späte Reue beginnt! –
5, 6, 2) Dennoch
zwingt ihn Psyche, ihre Bitte zu erfüllen, die Schwestern zu sehen und zu
trösten. Jetzt willigt er zwar in ein Treffen ein, verschiebt aber das
frühere Schweigegebot in folgende Richtung: Identidem monuit ac saepe terruit, ne quando
sororum pernicioso consilio suasa de forma mariti quaerat. (Immer wieder warnt
er sie, schockt sie oft, sie solle nicht auf den Rat der Schwestern hin nach
der Gestalt des Ehemanns suchen. – 5, 6, 3) Psyche
hört wohl nur die Erlaubnis, dankt ihm und verspricht: Sed prius centies moriar quam tuo isto
dulcissimo conubio caream. Amo enim et efflictim te, quicumque es, diligo
aeque ut meum spiritum, nec ipsi Cupidini comparo. (Eher will ich hundertmal sterben, als mit dir nicht
mehr so beglückend zu schlafen! Ich liebe dich nämlich, ich liebe dich – wer
du auch bist – zum Sterben ebenso wie mein Leben, und du stehst noch über
Cupido! – 5, 6, 4) Und
an dieses Liebesgeständnis schließt sie sofort folgende Bitte an: Sed istud etiam meis precibus, oro, largire, et
illi tuo famulo Zephyro praecipe, simili vectura sorores hic mihi sistat! (Bitte, erfülle auch meine folgende Bitte: Weise deinen
Diener Zephyrus an, meine Schwestern in gleichem Flug hierher zu bringen! –
5, 6, 5) Und
ihre Verführungskunst gipfelt in folgender Liebkosung: Mi mellite, mi marite, tuae Psychae dulcis anima! (Mein Hönigsüßer, mein Gemahl, deiner Psyche süße
Seele! - 5, 6, 5) <Liebt Psyche Amor wirklich?
Wenn sie wirklich liebte, müsste sie auch seine Sorge ernst nehmen; der
Kontext hier spricht aber eher für amatorisches Wortgeklingel bei Psyche, um
ihren Herzenswunsch erfüllt zu bekommen – aber dieser Wunsch, ihre Schwestern
zu sehen und zu trösten , kommt völlig überraschend. Aber die psycho-logischen oder
besser "psyche-unlogischen" Rätsel gehen weiter:> Die
Schwestern sind inzwischen am bewussten Felsen angekommen und beklagen dort
intensiv und lauthals die vermeintlich Tote – so laut, dass Psyche sie unten
in ihrem Palast schreien hört, sieTrostworte nach oben – ja, wohl – brüllen
muss und dann mit Fähr-Wind Zephyrus ihre Schwestern zu sich herab holt. In
Freudentränen endet die Begrüßung. Angesichts
von Psyches Luxusleben erwacht in den Schwestern der Neid. Eine fragt auch
penetrant nach ihrem unbekannten Schwager. Psyche hält sich hier noch ans
Schweigegebot und belügt ihre Schwestern: Er sei ein schöner Jüngling, fange
eben an, sich zu rasieren und sei momentan jagdlich verhindert. Und um keine
weiteren gefährlichen Fragen aufkommen zu lassen, belädt sie die beiden mit
Gold und Edelsteinen und bestellt wieder das Zephyrus-Taxi. <Den Heimweg der Schwestern
gestaltet Frauenfeind Apuleius besonders liebevoll aus:> Sie,
die doch am Anfang im Unterschied zu Psyche glücklich verheiratet waren,
halten jetzt "von der Galle des Neids brennend" ihre Reden. Die
erste klagt die ungerechte Fortuna an, dass sie, die älteren Schwestern,
"Mägde hergelaufener Ehemänner" seien und gleichsam im Exil fern
von den Eltern leben müssten. Und ihre jüngste Schwester schwimme im
Reichtum! Und dann habe sie noch einen schönen Mann! Und sie werde sicher
auch noch Göttin! Benommen habe sie sich schon so – und schließlich: At ego misera primum patre meo seniorem maritum
sortita sum, dein cucurbita calviorem et quovis puero pusilliorem, cunctam
domum seris et catenis obditam custodientem. (Aber ich Arme habe einen Mann erwischt, der erstens
älter ist als mein Vater und zweitens kahler als ein Kürbis und mehr Zwerg
als jedes Jüngelchen – und der das ganze Haus bewacht, obwohl es doch schon
mit Riegeln und Ketten zugesperrt ist. – 5, 9, 5) Die
andere stimmt in den Sexualneid der ersten gleich ein: Ego vero maritum articulari etiam morbo
complicatum curvatumque ac per hoc rarissimo venerem meam recolentem
sustineo! (Ich aber muss einen krummen, gichtigen Mann
aushalten, der deswegen mein Liebesblümchen nur noch ganz selten gießt! - 5,
10, 1) Kurz,
sie kann es nicht ertragen, dass eine Unwürdige (und nicht sie) das große Los
gezogen hat: Nec sum mulier nec omnino spiro, nisi eam pessum
de tantis opibus deiecero. Ac si tibi etiam, ut par est, inacuit nostra
contumelia, consilium validum requiramus ambae. (Ich bin keine rechte Frau, ja, ich lebe überhaupt
nicht, wenn ich die nicht von der Höhe ihres Reichtums zu Boden werfe. Und
wenn auch dir, wie's recht ist, der Stachel unserer Schande im Fleisch sitzt,
dann werden wir zwei beide nach einem prächtigen Plan schauen. – 5, 10, 4) Schandweib,
das sie ist, will sie auch den Eltern nichts von der gefundenen Schwester
erzählen, ja sie will nicht einmal die Mitbringsel jemandem zeigen, denn dann
könnte ja jemand vom Reichtum der Schwester erfahren: Nec sunt enim beati, quorum divitias nemo novit. (Glücklich sind die Reichen erst, wenn jemand von
ihrem Reichtum weiß. - 5, 10, 6) Und: Sciet se non ancillas, sed sorores habere
maiores! (Die soll wissen, dass sie an uns keine Mägde, sondern
größere Schwestern hat! – 5, 10, 6) Die
Reden der Schwestern schließt der Erzähler wieder treffend ab: Placet pro bono
duabus malis malum consilium. (Als Gutes gefällt den zwei Bösen ein böser Plan. – 5,
11, 1) Während
die beiden Schwestern also ihren Mordplan aushecken, wird Psyche von Amor
schon über den Plan informiert: Perfidae lupulae magnis conatibus nefarias
insidias tibi comparant, quarum summa est, ut te suadeant meos explorare
vultus, quos, ut tibi saepe praedixi, non videbis, si videris. (Die treulosen Wölfinnen versuchen heftig, dir
ruchlose Fallen zu stellen; deren gefährlichste ist, dir zu raten, mein
Aussehen zu erkunden – du wirst es aber, wenn du es gesehen hast, nicht mehr
sehen: Das habe ich dir oft vorhergesagt! – 5, 11, 4) Am
Ende der Warnung, die Amor wieder mit dem Schweigegebot verbindet, eröffnet
er Psyche noch, dass sie schwanger ist. – Psyche freut sich über ihr baldiges
Kind, aber ihre Schwestern, grässliche Furien, Schlangengift versprühend, sind
schon unterwegs. Noch
einmal ermahnt Amor Psyche: Iam mucrone destricto iugulum tuum nefariae tuae
sorores petunt. Heu, quantis urguemur cladibus, Psyche dulcissima! Tui
nostrique miserere religiosaque continentia domum, maritum, teque et istum
parvulum nostrum imminentis ruinae infortunio libera! Nec illas scelestas
feminas, quas tibi post internecivum odium et calcata sanguinis foedera
sorores appellare non licet, vel videas vel audias, cum in morem Sirenum
scopulo prominentes funestis vocibus saxa personabunt. (Schon zielen deine Verbrecherschwestern mit gezücktem
Schwert auf deine Kehle! Wehe, welches Unheil bedrängt uns, süßeste Psyche!
Hab Erbarmen mit dir und uns und befreie verantwortungsvoll und beherrscht
unser Haus, deinen Mann, dich und unseren kleinen Nachwuchs von dem drohenden
Unglück unseres Sturzes in die Tiefe! Schau nicht jene verbrecherischen
Frauen an, die du nach ihrem mörderischen Hass und den zertretenen
Blutsbanden nicht mehr Schwestern nennen darfst, und höre nicht auf sie, wenn
sie nach Sirenenart vom Felsen ragen und mit todbringender Stimme die Felsen
widerhallen lassen! – 5, 12, 3ff.) Diesen
dickstmöglich aufgetragenen Warnungen begegnet Psyche mit einem
Heulschluchzen und dem Versprechen, dass von ihr keine Gefahr drohe. Amor
solle ihr nur, wenn er ihr schon seinen Anblick verwehre, den der Schwestern
gewähren. - Die Dunkelheit der Nacht mache ihr nichts mehr aus, sie habe an
ihm ja ihr Licht. – Und Amors Reaktion? His verbis et amplexibus mollibus decantatus
maritus lacrimasque eius suis crinibus detergens facturum spopondit et
praevertit statim lumen nascentis diei. (Von diesen Worten und weichen Umarmungen verzaubert
und ihr mit seinen Haaren die Tränen abwischend, versprach der Ehemann, es zu
tun, und kam sofort dem Licht des entstehenden Tages zuvor. – 5, 13, 5) <Zur
"Psyche-Unlogik" kommt noch die "Amor-Unlogik": Wie kann
man als Frau so dumm sein, solche massiven Warnungen in den Wind zu
schreiben? Wie kann man als Mann so blöd sein, seine schlimmsten
Befürchtungen gleich wieder zu vergessen, wenn das Weibchen flötet? Aber
wahrscheinlich wollte Apuleius nur die "hirnlösende Kraft der
Liebe" demonstrieren. – Von Unlogik sind aber auch andere Personen, etwa
die Schwestern, bestimmt:> Die
Schwestern können die Umsetzung ihres Planes gar nicht erwarten: Hals über
Kopf stürzen sie erst auf den bewussten Berg, warten dort das Luft-Taxi gar
nicht ab, sondern stürzen sich sofort voller Tatendrang in die Tiefe. Und
tatsächlich, Zephyrus spannt als gehorsamer Diener seines Herrn Amor den
Fallschirm auf und lässt die beiden neben dem Palast landen. Sie stürmen in
den Palast und sehen offensichtlich Psyches dicken Bauch, denn sie zeigen
sich gleich über die Schwangerschaft informiert und heucheln der kleinen
Schwester vor: Psyche, non ita ut pridem parvula, et ipsa iam
mater es! Quantum, putas, boni nobis in ista geris perula! Quantis gaudiis
totam domum nostram hilarabis! O nos beatas, quas infantis aurei nutrimenta
laetabunt! Qui si parentum, ut oportet, pulchritudini responderit, prorsus
Cupido nascetur! (Psyche, du bist ja kein Nesthäkchen mehr! Bist ja selbst schon Mutter! Wie viel Gutes, glaubst du,
trägst du da für uns in deinem Ränzchen? Mit welch großen Freuden wirst du
unser ganzes Haus erheitern? O wir Glücklichen, die wir voll Freude die Alete
des Goldkindes mitlöffeln dürfen! Wenn es – anders geht es ja gar nicht! – so
schön wie seine Eltern wird, dann wird ja direkt ein
Cupido geboren! – 5, 14, 3) Und
Psyche fällt auf den Schmus herein! Sie bewirtet die Schwestern, lässt Orchester
spielen und Chöre singen – aber die bösen Schwestern verfolgen ihren Plan und
stellen bohrende Fragen nach dem Schwager. Wieder lügt Psyche, aber
fatalerweise mit einer andern Story: Ihr Mann sei etwas reifer, an den
Schläfen schon leicht ergraut. – Hier spricht der Erzähler Psyches zweite
bestimmende Eigenschaft, ihre Dummheit, auch ausdrücklich an: Illa simplicitate nimia pristini sermonis oblita
novum commentum instruit. (In allzu großer Simpligkeit vergisst sie die frühere
Gesprächsversion und baut ein neues Lügengebilde auf. - 5, 15, 4) Danach
werden die Schwestern wie beim ersten Besuch verabschiedet. Ihr Heimweg
gestaltet sich diesmal kürzer. Sie durchschauen natürlich die Lügen der
Schwester, ziehen ihren Schluss, dass ihr Schwager ein Gott sein muss. Und
Psyche soll Mutter Gottes werden? Nein, da wollen sie sich eher aufhängen! –
Das tun sie natürlich nicht, sondern schreiten lieber zum Angriff. Gleich am
nächsten Morgen stürmen sie wieder zum Felsen und zum Zephyrus-Taxi, im
Palast versichern sie Psyche unter Tränen: Pro vero namque comperimus nec te, sociae
scilicet doloris casusque tui, celare possumus immanem colubrem multinodis
voluminibus serpentem, veneno noxio colla sanguinantem hiantemque ingluvie
profunda tecum noctibus latenter adquiescere. (Wir haben es als Fact erfahren und können es dir –
sind wir doch Gefährtinnen in deinem Schmerz und deinem Unglück – nicht
verheimlichen: Eine riesige Schlange, in vielknötigen Windungen
dahinkriechend, den Hals blutig färbend mit schädlichem Gift, den Kropf tief
aufreißend schläft nachts mit dir – und du merkst es nicht! – 5, 17, 3) Und
dieses Untier warte nur darauf, sie hochschwanger verschlingen zu können! –
Psyches Reaktion hat man fast schon erwartet: Tunc Psyche misella, utpote simplex et animi
tenella, rapitur verborum tam tristium formidine: Extra terminum mentis suae
posita prorsus omnium mariti monitionum suarumque promissionum memoriam
effudit et in profundum calamitatis sese praecipitavit tremensque et exsangui
colore lurida tertiata verba semihianti voce substrepens sic ad illas ait. (Dann lässt sich armes Psychele, wie sie eben so
simplig und zart im Intellekt ist, von der Angst vor solch traurigen Worten
dahin reißen: Völlig daneben verliert sie die Erinnerung an alle Warnungen
und Versprechungen ihres Mannes, stürzt sich kopfüber in die Tiefe ihres
Unglücks, stottert zitternd und leichenblass Worte und lässt aus halboffenem
Mund folgendes hören. – 5, 18, 4) Und
tatsächlich! Jetzt erzählt Psyche den Schwestern die Wahrheit: Noch nie habe
sie ihren Mann gesehen, und er drohe ihr immer großes Unheil an wegen ihrer
Neugier bezüglich seines Aussehens. Und sie bittet die Schwestern um Hilfe!!! Die
wissen auch gleich Rat: Psyche solle ein scharfes Messer im Bett und eine
brennende Öllampe neben dem Bett verstecken. In des Schwagers erstem Schlaf
solle sie die Lampe holen und dem Drachen das Messer zwischen Kopf und Nacken
einrammen. Bereitwillig stellen sie auch ihre Hilfe in Aussicht: Wenn der
Drachen tot ist, wollen sie ihr gerne beim Einpacken und Abtransport all der
Schätze behilflich sein. Psyches Intellekt brennt jetzt lichterloh, und die
Schwestern halten es für sinnvoll, dieses Lokal schleunigst Richtung Heimat
zu verlassen. Den
ganzen Tag schwankt Psyche; am Abend richtet sie aber doch die Werkzeuge.
Nach üblichem Liebesgeplänkel liegt Amor im ersten Tiefschlaf. Da holt Psyche
nun ihre Werkzeuge hervor – und erkennt im Schein der Lampe Cupido. Ihre
erste Reaktion: Sie richtet das Messer gegen sich; aber das Messer entflieht
(!) ihren Händen. In einem zweiten Anlauf betrachtet sie noch einmal alle
Elemente der vor ihr liegenden Schönheit, entdeckt auch, ordentlich abgelegt,
Bogen, Köcher und Pfeile des großen Gottes Amor. Quae dum insatiabili
animo Psyche, satis et curiosa,
rimatur atque pertrectat et mariti sui miratur arma, depromit unam de faretra
sagittam et punctu pollicis extremam aciem periclitabunda trementis etiam
nunc articuli nisu fortiore pupugit altius, ut per summam cutem roraverint
parvulae sanguinis rosei guttae. Sic ignara Psyche sponte in Amoris incidit amorem. Tunc magis
magisque cupidine fraglans Cupidinis,
prona in eum efflictim inhians, patulis ac petulantibus saviis festinanter
ingestis de somni mensura metuebat. Sed dum bono tanto percita saucia mente
fluctuat, lucerna illa sive perfidia pessima sive invidia noxia sive, quod
tale corpus contingere et quasi basiare et ipsa gestiebat, evomuit de summa
luminis sui stillam ferventis olei super umerum dei dexterum. Hem audax et
temeraria lucerna et amoris vile ministerium, ipsum ignis totius deum aduris, cum te scilicet amator aliquis,
ut diutius cupitis etiam nocte potiretur, primus invenerit. Sic inustus
exsiluit deus visaque detectae fidei colluvie prorsus ex osculis et manibus
infelicissimae coniugis tacitus avolavit. (Während nun Psyche mit unersättlichem Verlangen, auch
hinlänglich neugierig, ihres Mannes Waffen beschaut, betastet und bewundert,
holt sie einen Pfeil aus dem Köcher, prüft mit der Daumenspitze die Schärfe
der Pfeilspitze und sticht mit allzu großem Druck ihres auch jetzt zitternden
Fingers zu tief, so dass über die Hautoberfläche kleine Tropfen rosenfarbigen
Blutes herunter tauen. So gerät Psyche, ohne es zu wissen, automatisch in
Amors Bann. Dann mehr und mehr in Verlangen zum Gott des Verlangens
entbrennend, neigt sie sich über ihn, giert nach ihm, überschüttet ihn eilig
mit frechen Küssen bei offenem Mund und hat nur Angst vor dem Ende seines
Schlafes. Aber während sie von solchem Glück überwältigt, wunden Herzens hin
und her schwankt, da spuckt die Lampe, sei es aus bösester Treulosigkeit oder
Schaden stiftendem Neid oder weil sie auch selbst einen solchen Leib berühren
und gleichsam küssen will, vom Rand am brennenden Docht einen Tropfen heißes Öl
auf des Gottes rechte Schulter. O du freche, leichtsinnige Lampe, du wertlose
Liebesdienerin! Den Gott allen Feuers sengst du an, obwohl doch dich
irgendein Liebender als erster erfunden hat, um auch bei Nacht länger das
Gewünschte zu erhalten! So versengt springt der Gott auf, sieht deutlich die
gebrochenen Scherben seines Vertrauens und entfleucht wortlos den Küssen und
Händen seiner ganz unglücklichen Gattin. – 5, 23) <Der Leser steht hier nicht
nur am Feuer von Psyches Lampe, sondern auch am Herd von Apuleius' Wortküche:
Da werden wirklich sämtliche
Zutaten in einen Kochtopf geworfen!> Mit
beiden Händen klammert sich Psyche an des entfliegenden Gottes rechten
Schenkel, steigt so eine Weile mit auf, sinkt aber dann doch zu Boden. Amor
fliegt aber nicht weiter, sondern lässt sich in ihrer Nähe auf einer Zypresse
nieder und hält Psyche die Abschiedsrede: Ego quidem, simplicissima Psyche, parentis meae
Veneris praeceptorum immemor, quae te miseri extremique hominis devinctam
cupidine infimo matrimonio addici iusserat, ipse potius amator advolavi tibi.
Sed hoc feci leviter, scio, et praeclarus ille sagittarius ipse me telo meo
percussi teque coniugem meam feci. (Psyche, du Rieseneinfaltspinsel, ich habe die
Anweisungen meiner Mutter Venus vergessen! Die hatte befohlen, dich in
Begierde zu einem extrem elenden Mann zu fesseln und tiefstmöglich zu
verheiraten – und ich bin lieber als dein Liebhaber zu dir hingeflogen. Aber
das war eine leichtsinnige Tat, ich weiß es, und ich, jener prächtige
Schütze, habe mich mit meinem eigenen Pfeil selbst getroffen und dich zu
meiner Frau gemacht! – 5, 24, 2) Vor
ihrer Tat habe er sie immer gewarnt, aber sie habe ja lieber auf jene
prächtigen Ratgeberinnen gehört, die er nun gleich strafen wolle. Für Psyche
genüge als Strafe totaler Liebesentzug. Nach dieser Zypressenrede entfliegt
er endgültig. Als
Amor ihren Blicken entschwunden ist, will sich Psyche in den nächsten Fluss
stürzen. Der setzt sie aber, aus Achtung vor Amor, am Ufer ab, wo sie auf den
Hirtengott Pan stößt. Der rät ihr mit seinem gesunden Menschenverstand vom
Selbstmord ab. Lieber solle sie versuchen, Cupido mit hingebungsvollen
Gebeten zurückzugewinnen. Von
Pan aus wandert Psyche weiter und kommt zufällig in die Stadt ihrer einen
Schwester. Bei ihr spricht sie vor, erzählt ihr, wie sie in Cupido ihren
Gemahl entdeckt, er sie aber verbannt habe. Und nun wolle er sie, die
Schwester, zur Frau haben, sie solle sich nur schleunigst auf den Weg machen.
Gesagt, getan – die Schwester stürzt sich wieder vom Felsen, wird aber
diesmal nicht aufgefangen, sondern zerschellt. Haargenau den gleichen Tod
stirbt auch die andere Schwester. Nach der Bestrafung der Schwestern begibt
sich Psyche nun auf die Suche nach Cupido. Wo
ist Cupido, der Herr des Märchenschlosses? Man höre und staune: Er liegt in
der Wohnung der Frau Mama und bläst seine Brandblase. Das sieht eine
geschwätzige Möwe, die eilends zum Petzen zu Venus fliegt, die sich gerade
beim Baden entspannt: Cupido bummle verliebt in den Bergen, verliebt in ein
Mädchen namens Psyche. Auf dieses Tratschwort hin erleidet die Mama einen
Tobsuchtsanfall und stürmt – wahrscheinlich noch ohne Badeanzug – in ihre
Wohnung und beschimpft dort heftigst ihren Sohn: Ihre schlimmste Feindin
wolle er ihr als Schwiegertochter vorsetzen! Ihren Auftrag habe er völlig
vergessen! Er habe ihn sogar als mütterlichen Kuppelei-Versuch
missverstanden, wenn er, anstatt das Mädchen zu quälen, sich mit ihr
eingelassen habe! Sie werde ihn enterben und einen Diener an seiner Stelle
adoptieren (leider sei sie ja schon zu alt für weitere eigene Kinder)! Und
auch seinem Patchwork-Papa beschaffe er andere Frauen! Sie werde sich an
"Frau Rache" wenden, die solle ihn entwaffnen – und vor allem
scheren! Als
Venus wutentbrannt aus dem Haus stürmt, kommt ihr gerade ihr Kaffee-Besuch
entgegen: Die Kolleginnen Ceres und Juno kommen zum Kaffeeklatsch. Sie haben
von der ganzen Geschichte schon gehört und versuchen, die Tobende etwas zu
besänftigen: Quis autem te deum , quis hominum patietur
passim cupidines populis disseminantem, cum tuae domus amores amare coerceas et vitiorum muliebrium publicam praecludas
officinam? (Wer von den Göttern, wer von den Menschen aber wird
noch ertragen, dass du überall Liebesverlangen bei den Völkern aussäst, wenn
du Liebenden in deinem Haus zu lieben verbietest und den Frauen die
allgemeine Sünden-Werkstatt zusperrst? – 5, 31, 6) So
sprachen sie aber aus persönlicher Angst vor Cupidos Pfeilen. Venus fühlt
sich nicht verstanden, sieht ihr Problem ins Lächerliche gezogen und begibt
sich schmollend zurück ins Meer. <Wieder hat Apuleius ein
Buchende erreicht und lässt den Leser mit quälenden Fragen zurück: Bekommt
Psyche noch ihren Amor – oder er sie? Wie will Apuleius bei dieser kritischen
Lage noch ein Happy End hinkriegen? Man blättert um und vernimmt die
weitere Entwicklung.> Interea Psyche variis iactabatur discursibus,
dies noctesque mariti vestigationibus inquieta animo, tanto cupidior iratum
licet si non uxoris blanditiis lenire, certe servilibus precibus propitiare. (Währenddessen war Psyche hierhin und dorthin
unterwegs, tage- und nächtelang ruhelos in der Suche nach dem Mann, desto
mehr darauf aus, wenn schon nicht seinen Zorn mit Schmeichelworten seiner
Frau zu lindern, so doch ihren Mann wieder mit untertänigen Bitten sich
gnädig zu stimmen. – 6, 1, 1) So
hatte Pan es Psyche geraten, und so beginnt das 6. Buch. – Auf ihrer Suche
gelangt sie zu Venus Kaffeebesucherinnen, aber Ceres sieht sich Venus
verbunden und gewährt der Umherirrenden kein Asyl, sondern weist sie aus
Rücksicht auf die liebe Verwandte von ihrer Schwelle, meint sogar, Psyche
solle froh sein, dass sie nicht die Polizei hole, um sie Venus' Gerechtigkeit
zu übergeben. Traurig geht Psyche von hinnen und stößt dannen auf Junos
Tempel, die sie als zweite anfleht: Magni Iovis germana et coniuga, ... quam cunctus
oriens Zygiam veneratur et omnis occidens Lucinam appellat: sis meis extremis
casibus Iuno Sospita meque in tantis exanclatis laboribus defessam imminentis
periculi metu libera! (Des großen Jupiters Schwester und Gattin, die der
ganze Osten als Ehestifterin verehrt und der ganze Westen Geburtshelferin
nennt: sei meinem extremen Unglück die "Rettende Juno" und befreie
mich von der Angst vor der drohenden Gefahr, stehe ich doch müde in so großen
erduldeten Arbeiten. – 6, 4, 1f.) Aber
Juno verweist auf die Gesetzeslage: Man dürfe keine entlaufenen Sklaven
aufnehmen. Deshalb bleibt Psyche auch ihr Haus verschlossen. Psyche zieht
weiter. Eine letzte Chance sieht Psyche noch darin, den Zorn der bösen
Schwiegermutter durch völlige Unterwerfung zu mildern – vielleicht sieht sie
bei Venus auch ihren Mann wieder? Aber
Venus ist auch selbst aktiv. Da sie die Verhasste bisher nirgends finden
konnte, begibt sie sich in die Garage, setzt sich in ihren massiv goldenen
SLK – ein Hochzeitsgeschenk ihres lieben, handwerklich begabten Angetrauten –
und braust zum Regierungssitz Jupiters. Natürlich sofort vorgelassen verlangt
sie vom Chef den sofortigen Einsatz des Propagandaministers Merkur und
überreicht dem zur Propagierung den Steckbrief der "bösen Psyche".
Und sofort wird in Radio, Fernsehen und Internet folgende Meldung verbreitet: Si quis a fuga retrahere vel occultam
demonstrare poterit fugitivam regis filiam, Veneris ancillam, nomine Psychen,
conveniat retro metas Murtias Mercurium praedicatorem, accepturus indicivae
nomine ab ipsa Venere septem savia
suavia et unum blandientis adpulsu linguae longe mellitum. (Wenn jemand die entlaufene Tochter eines Königs, die Sklavin
der Venus mit Namen Psyche, von ihrer Flucht zurückschleppen oder ihr
Versteck angeben kann, soll er sich am Mittelportal des Olympiastadions bei
Propagandaminister Merkur einfinden. Zur Belohnung seiner Anzeige wird er von
Venus persönlich sieben süße Küsse und einen besonders honiggleichen
Zungenkuss erhalten. – 6. 8, 2) Darauf
befindet sich die ganze Männerwelt auf der Suche nach Psyche, aber auch
Psyche hat die Tagesschau gesehen und will sich selbst stellen. Von einer
Subalternen wird sie ins Haus der Venus geschleppt: Et audaciter in capillos eius immissa manu
trahebat eam nequaquam renitentem. (Und frech ergriff die Subalterne mit der Hand Psyche
an den Haaren und schleppte sie herein, sie, die keineswegs renitente. Sobald
Venus sah, dass sie hereingeführt wurde und ihr ausgeliefert war, stimmte sie
breitestes Triumphgelächter an, wie es bei psychotisch Wütenden üblich ist,
schüttelte ihren Kopf, kratzte sich am rechten Ohr und rief: "Endlich
lässt du dich dazu herab, deiner Schwiegermutter 'Guten Tag' zu sagen? Oder
bist du zu einem Bsüchle bei deinem Mann gekommen, der wegen deiner
Verwundung in Lebensgefahr schwebt? Aber sei sicher, ich empfange dich, wie
es einer guten Schwiegertochter zukommt!" Und weiter rief sie: "Wo
sind meine Mägde Liebeskummer und Traurigkeit?" Nach
dieser Rede misshandelt die böse Schwiegermutter ihre Schwiegertochter auch
körperlich schwer. Dann beginnt sie mit ihren vier Arbeiten für Psyche.
Zunächst schüttet sie eine Unmenge Samenkörner durcheinander und Psyche soll
alle wieder ordentlich auseinander klauben. Dazu lässt Venus sie allein, sie
ist nämlich bei einer Hochzeit eingeladen. Psyche ist ratlos, wird aber von
einem Heer barmherziger Ameisen unterstützt. Als am Abend alles bestens
sortiert ist, besichtigt Venus das Ergebnis, bricht aber sofort wieder in
üble Beschuldigungen aus: Psyche habe das nicht selbst gemacht, sondern ihr
übler Sohn Amor habe mitgeschummelt. In
der nächsten Morgenfrühe hat Venus den nächsten Auftrag für Psyche: Jenseits
des Flusses soll Psyche von den dort weidenden Schafen Goldwolle besorgen. Da
will sich Psyche gleich in den Fluss stürzen, um ihr Leid zu beenden, aber
das Schilf am Ufer beginnt zu sprechen und gibt Psyche den entscheidenden
Tipp: Zur rechten Zeit, wenn die Schafe friedlich sind, könne sie die
Goldwolle vom Laub herunterschütteln. Wieder ist Venus mit der
herbeigeschafften kostbaren Wolle nicht zufrieden, wieder mutmaßt sie einen
Betrug ihres Sohnes. Im
dritten Auftrag verlangt Venus von Psyche, Quellwasser vom Unterweltfluss
Kokytos herbeizubringen. Aber die Quelle erweist sich als unzugänglich.
Diesmal hilft der Adler, der damals unter Cupidos Anleitung den Ganymed zu
Jupiter gebracht hatte. Er nimmt Psyche das Krüglein ab, fliegt zur Quelle
und kommt mit dem vollen Gefäß zurück. Venus akzeptiert auch diesmal die
Arbeitsleistung der Psyche nicht, beschimpft sie als Zauberin und schreitet
zur vierten Arbeit. Dazu
drückt sie Psyche eine Salbenbüchse in die Hand; sie solle zu Proserpina in
die Unterwelt gehen, diese etwas von ihrer Schönheit in die Büchse streichen
lassen und damit – aber pünktlich! – zurückkehren. In die Unterwelt zu gehen
erscheint Psyche direkt als Todesurteil; dann kann sie gleich auf einen nahen
Turm steigen und sich von dort herabstürzen. Doch der Turm beginnt zu
sprechen: Quid te praecipitio, misella, quaeris
extinguere? Quidque iam novissimo periculo laborique isto temere succumbis?
Nam si spiritus corpore tuo semel fuerit seiugatus, ibis quidem profecto ad
imum Tartarum, sed inde nullo pacto redire poteris. (Warum willst du, Arme, dich mit einem Sturz
auslöschen? Und warum willst du beim letzten Abenteuer, dieser letzten Arbeit
blindlings kapitulieren? Denn wenn dein Lebensatem einmal von deinem Körper
geschieden ist, marschierst du wirklich ganz hinab in die Unterwelt – aber
von dort gibt es gar keinen Rückweg! – 6, 17, 3) Danach
setzt der rhetorisch begabte Turm zu einer langen, langen Rede an; mit einer
gewissen Inkonsequenz, seine eben gemachte Aussage betreffend, beschreibt er
Psyche alle Gefahren auf dem Weg in die Unterwelt und von dort zurück und
beschließt seine guten Tipps, die danach alle pünktlich in die Tat umgesetzt
werden, aber seinerseits mit einem Auftrag: Sie dürfe nicht ins gefüllte
Salbenbüchschen schauen. Neugierig, wie sie halt ist, öffnet Psyche nach
ihrer erfolgreichen Jenseits-Tour die Büchse; es ist aber nichts darin außer
einem Jenseits-Schlaf, der sie sofort befällt, so dass sie wie eine Tote
daliegt. Gerade
jetzt, also mit gelungenem Timing, ist Cupidos Brandnarbe vernarbt, er kann
wieder hüpfen und fliegen, sogar – weil bestens ausgeruht – besser als
vorher. Er eilt natürlich sofort zu seiner Psyche, streift den
Jenseits-Schlaf wieder von ihr ab, steckt ihn wieder in die Büchse und
schickt Psyche mit der Büchse zur Schwiegermutter; den Rest werde er selbst
erledigen. Interea Cupido amore nimio peresus et aegra
facie, matris suae repentinam sobrietatem pertimescens, ad armillum redit
alisque pernicibus caeli penetrato vertice magno Iovi supplicat suamque
causam probat. (Inzwischen fällt Cupido, angefressen von allzu großer
Liebe und seinem maladen Teint, wie er so Angst bekommt vor seiner Mutter
plötzlichen Sittenstrenge, wieder in die alte Gangart zurück, schnallt seine
Turboflügel an, dringt damit in Himmelshöhe und macht Jupiter erst seine Demutsgeste
und ihm dann seine Sache schmackhaft. Darauf ergreift Jupiter Cupidos
Bäckchen, zieht es mit der Hand an seinen Mund, überschüttet ihn mit Küssen
und spricht zu ihm: "Mein lieber Herr Sohn, du hast mir zwar nie die
durch Parteitagsbeschlüsse dekretierte Ehre erwiesen, sondern diese meine
Brust, in der die physischen Gesetze der Welt und der Gang des Kosmos
geordnet werden, mit andauernden Schüssen verwundet und mit häufigen Anfällen
irdischer Geilheit besudelt und gegen die Gesetze, sogar das heilige BGB und
die Freiheitlich Demokratische Grundordnung mit deinen schändlichen
Ehebrüchen mein Ansehen und guten Ruf verletzt, indem du mein freundliches
Herrschergesicht zu Schlangen, zu Feuer, zu Wildtieren, zu Vögeln und zu
Herdenvieh reformiert hast, aber nichtsdestotrotzdem will ich doch an meine
Maxime "Maßhalten" denken und, weil du ja auch in meinen
Patenhänden groß geworden bist, alles tun, wenn du nur daran denkst, dir dein
Liebesmonopol zu sichern und deine Verpflichtung einzuhalten, mir, wenn unten
auf der Erde mal wieder ein Mädchen im Schönheitsranking vorne liegt, das
eben meinerseits stattfindende Entgegenkommen durch dieses Mädchen
aufzuwiegen." – 6, 22) Nach
diesem Deal des alten Lüstlings mit seinem Spezi – eine echte
Win-Win-Situation - wird der
himmlische Bundestag einberufen: Sic fatus iubet Mercurium deos omnes ad
contionem protinus convocare ac, si qui coetu caelestium defuisset, in poenam
decem milium nummum conventum iri pronuntiare. (Sprach's und befahl dem Merkur, unverzüglich alle
Götter zur Sitzung einzubestellen und anzukündigen, falls einer dem
himmlischen Bundestag fehle, werde er mit 10000 Euro belangt. Diese Angst
führt dazu, dass der himmlische Plenarsaal sofort voll ist; auf der Kante
seines hohen Thrones sitzend, lässt sich der hochgewachsene Jupiter so vernehmen:
"Ihr Götter, eingetragen in die Liste der Anwesenheitsberechtigten, ihr
wisst alle genau, dass ich diesem jungen Mann eigenhändig das Fläschchen
gereicht habe. Seine hitzigen Aufwallungen als Teenager meinte ich mit einem
gewissen Hemmer zügeln zu müssen; dass er einen schlechten Ruf hat wegen
täglicher Ehebruchsgeschichten und seiner Korruptionsaffären, reicht aus. Man
muss ihm jede Gelegenheit nehmen und sein luxuriöses Playboyleben mit
Ehebanden fesseln. Er hat ein Mädchen erwählt und entjungfert: soll er sie
haben, besitzen, Psyche umarmen und ihre Liebe immer genießen!" Dann
wandte er Venus sein Lächeln zu: "Und du, Tochter, sei nicht sauer und
habe weder um deinen doch so bedeutenden Stammbaum noch um deinen Stand wegen
der Hochzeit mit einer Bürgerlichen Angst. Ich werde diese Ehe zu einer
standesgemäßen, legitimen und BGB-konformen machen." Und sofort ließ er
durch Merkur Psyche verhaften und in den Himmel abtransportieren. Dort hielt
er ihr einen Becher Ambrosia hin und sagte: "Psyche, erstens: du sollst
götteradlig sein; zweitens: Cupido soll auf ewig dein Schuldner sein;
drittens: diese Ehe wird für euch unscheidbar sein." – 6, 23) Und
das nun folgende himmlische Hochzeitsmahl – und damit unser schönes Märchen –
wird folgendermaßen beendet: Sic rite Psyche convenit in manum Cupidinis, et
nascitur illis maturo partu filia, quam Voluptatem nominamus. (So kommt Psyche ordnungsgemäß in Cupidos Ehegewalt,
und als die Zeit zur Geburt reif ist, wird ihnen eine Tochter geboren, die
wir "Freude" nennen. - 6, 24, 4) <Das "Märchen"
hinterlässt vor allem zwei Fragen, eine ein Detail, die zweite den ganzen
Text betreffend: Die erste: Wieso spart Apuleius,
der doch jede erfundene Episode rhetorisch ausschlachtet, ausgerechnet Amors
Verlieben aus? Wie der schalkhafte Sohn den mütterlichen Auftrag missachtet
und beim ersten Anblick Psyches Reizen erliegt, das hätte ihn doch zu einer
wahren Sprach-Orgie hinreißen müssen! Und zweitens: Wieso überlebte
dieses rhetorisch überdrehte Werk fast 2000 Jahre? Vielleicht ist die
Hirnrissigkeit so genial übertrieben, dass sie schon wieder - jenseits von
Schwulst und Wortgeklingel – interessant wird. Apuleius schafft es ja immer
wieder, der Unlogik schöne Lichter aufzusetzen, z. B. bei der Kernszene mit
der tropfenden Lampe oder dem Miniaturgemälde der Sadistin beim ersten
Aufeinandertreffen von Psyche und Venus. Man vergesse auch nicht: Apuleius
ist eine Quelle für Boccaccio!> Noch
ein kurzer Blick zurück auf die beiden Inhaltsangaben: Hunger stellt die
Geschichte als braves Märchen vor; bei Frenzel schimmert schon die
Bösartigkeit mancher Beteiligter durch, aber bei beiden wird der Schluss viel
zu moralisch-hochwertig dargestellt. Eine
allegorische Deutung der Geschichte im Sinne von "Sehnsucht der
menschlichen Seele nach der großen Macht der Liebe" verbietet sich
eigentlich, wenn man die Charaktere der Hauptpersonen bedenkt: Amor/ Cupido ist ein stinkreicher Playboy,
dabei aber ein egoistisches Muttersöhnchen mit guter Verflechtung in den
Machtfilz hinein. Psyche, bildhübsch, aber strohdumm, ist
letztlich nur Opfer von männlichem Verlangen (Cupido) und weiblicher
Herrschsucht (Venus) – und der eigenen Dummheit. Venus ist die skrupellos herrschwütige
Frau in der Krise der beginnenden Wechseljahre. Und
Jupiter, eine wichtige
Nebenperson, ist im Grunde der korrupte Politiker, der alle Grundsätze über
den Haufen wirft, um dafür ein paar junge Mädchen zu vervespern. Ähnlichkeiten
mit Personen von Apuleius' Zeit – oder gar mit unserer – sind "natürlich
rein zufällig". Was
ist das "Märchen" also? Es ist eine rhetorisch übersteigerte,
boshafte Götterburleske mit vielen märchenhaften Einlagen, so dass die
Geschichte als das "Märchen von Amor und Psyche" überleben konnte. |