PAGINA
CARIONIS
PHILIPP
MELANCHTHON AN JOACHIM CAMERARIUS, JUNI 1531
Viro optimo
Ioachimo Camerario Bambergensi
amico summo, Noribergae, S.
D. |
Joachim Camerarius, dem besten Mann, dem Bamberger, seinem wichtigsten Freund, in Nürnberg. Ich grüße Dich. |
1,1
Accepi tuam disputationem de praedictionibus Carionis. 2 Quanquam autem iste vehementer
affirmat, se nihil praeter siderum positum in consilium adhibere, tamen
multis non satis persuadet hoc. 3
Et ars meo quoque iudicio non potest tam diserte de singularibus eventibus
pronunciare, sed vir est, quantum ego quidem cognovi, candidus et Suevicae
simplicitatis plurimum referens. |
1,1 Deine Erörterung über die
Vorhersagen Carions habe ich erhalten. 2 Obwohl dieser aber heftig versichert, er ziehe nur
Gestirnspositionen zu Rate, kann er viele damit nicht hinlänglich
überzeugen. 3 Und auch nach meinem
Dafürhalten kann die <astrologische> Kunst Einzelereignisse nicht so
präzis vorhersagen; aber der Mann ist, soweit ich wenigstens ihn kenne, in
Ordnung und er zeigt sehr viel von schwäbischer Einfachheit. <[1]
Veranlaßt durch eine Äußerung des C. kritisiert M. die Prognosen des
[Johannes] Carion, den er im übrigen schätzt. |
2,1
De Hercule valde oro. 2 Ego
enim in ea opinione sum, unum tantum Herculem fuisse. 3 Nec multo aliter sentit Herodotus. 4 Rogo igitur te, ut diligenter perscribas mihi, et cuius fuerit
Hercules, et quomodo existimes ab illo Alexandrum Macedonem ortum esse, cuius
genus valde cupio nosse. 5 Materno genere Aeacides est, sed
paterno Isocrates facit Heracliden. |
2,1 Des Herkules wegen bitte
ich Dich dringend. 2 Ich nämlich
habe folgende Meinung, es habe nur einen Herkules gegeben. 3 Nicht viel anderes meint Herodot. 4 Ich bitte Dich also, schreibe mir
genau, wessen Kind Herkules war und wie nach Deiner Meinung der Makedone
Alexander von jenem abstammte, dessen Abstammung ich sehr gerne wissen will. 5 Mütterlicherseits ist er Aiakide,
aber väterlicherseits macht ihn Isokrates zum Herakliden. <Hierzu bittet er C. um Auskunft über
Herakles und über die Abstammung Alexanders des Großen von diesem.> <Herakles in der Chronica Carionis: 3,19,1-26 und 5,1,17-20> |
3,1 Significavi tibi proxime quid
Galli responderint nostris. 2 Nunc et ex Anglia allatae sunt literae, quas
nondum vidi. 3 Verum audio eodem
fere argumento scriptas esse: 4 queri
de abusibus Ecclesiasticis, et optare synodum, sed aiunt, duriuscule
perstringi ipsum doctrinae genus. 5
Neque sane id mirandum est, postquam ita rex a nostro exceptus est. 6 Bene vale. 7 Die
Solstitiali. FilippoV. |
3,1 Neulich habe ich Dir mitgeteilt,
was die Franzosen den Unsrigen geantwortet haben. 2 Jetzt brachte man einen Brief aus England, den ich noch nicht
gesehen habe. 3 Ich höre aber, er
sei aus fast demselben Grund geschrieben worden: 4 man beklage den kirchlichen Missbrauch und wünsche eine Synode,
aber sie sagen, ein wenig hart werde gerade die Art der Lehre getadelt. 5 Und das ist freilich nicht
verwunderlich, nachdem der König so von unserem <Luther> aufgenommen
worden ist. 6 Leb wohl! 7 Am Sonnwendtag. Philipp <[3] Nach dem neulich referierten Brief
des [Kg. Franz I.] von Frankreich kam auch einer aus England, der zwar auch
ein Konzil befürwortet, aber gegen die [evangelische] Lehre ablehnender ist,
was nach [Luthers] Angriff auf Kg. [Heinrich VIII. von England: WA 10/2,
175-222] nicht verwundert.> |
Corpus Reformatorum II, Sp. 505, "No. 987" <Dickdruck von mir.> |
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